Neuseeland, da denken die meisten zuerst an ein traumhaftes Reiseziel am Ende der Welt.
Wunderbare Landschaften, Naturschauspiele und vor allen Dingen kein Stress ist die allgemeine Vorstellung. Und in diesem Land durfte ich ein Schuljahr an einer Schule in Neuseeland und ganze 10 Monaten verbringen!!
Eins sollte man gleich vorneweg wissen: Neuseeland ist wirklich am Ende der Welt, noch hinter Australien, im Pazifik und nahe der Datumsgrenze. So musste ich für mein Schuljahr in Neuseeland einen 26-Stunden-Flug mit mehreren Stopovers (in Singapur und Sydney) in Kauf nehmen, um dort hinzukommen. Der erste Eindruck nachdem wir gelandet waren?? Nass und windig. Da Neuseeland auf der Südhalbkugel der Erde liegt, sind die Jahreszeiten vertauscht: Im Juli war es Winter und richtig kalt… (besonders, da die neuseeländischen Häuser keine Zentralheizung haben. So war es in meinem Zimmer lauschige 10 Grad „warm“. Aber was nicht tötet, härtet nur ab!)
Meine neues Zuhause für mein Schuljahr in Neuseeland war Christchurch, die Hauptstadt der Südinsel, mit 300.000 Einwohnern. Neuseeland besteht aus zwei Hauptinseln: der größeren Südinsel, auf der aber nur 1 Mio. Menschen leben, und der etwas kleineren Nordinsel, auf der die restlichen 2,8 Mio. Neuseeländer verteilt leben, davon 1 Mio. in Auckland, der größten Stadt Neuseelands. Also nur 3,8 Mio. Menschen auf der Fläche Deutschlands, dafür aber 70 Mio. Schafe!!
Es fiel mir von Anfang an auf, dass die Neuseeländer, die sich selbst auch als „Kiwis“ bezeichnen, sehr freundlich und höflich sind. Das erinnert doch stark an die Briten, und irgendwie sind die Kiwis ja auch „halbe Engländer“: Nachdem der berühmte Seefahrer James Cook Neuseeland 1769 entdeckt hatte, kamen die Einwanderer besonders aus Europa, um ein neues Leben zu beginnen. Anders als Australien begann Neuseeland also nicht als Sträflingskolonie!
Bevor die Einwanderer kamen, lebten in Neuseeland die Maori, die Ureinwohner. Sie nannten ihr Land„Aotearoa“, das „Land der langen weißen Wolke“ (weil Nebel über der Insel hing, als die Maori sie das erste Mal sahen). Heutzutage gibt es etwa 70 % Weiße und nur etwa 10 % Maori, der Rest sind Polynesier, auch „Islanders“ genannt, also Leute aus dem Pazifikraum (z.B. Tonga, Fiji, etc.), Chinesen, Inder u.a.
Neuseeland ist stark durch diese Mischung aus Kiwis und Maori geprägt: Wörter der Maori-Sprache haben sich in den Wortschatz eingeschlichen, die Musik und Traditionen der Maori gehören zum Alltag (z.B. Kriegstänze und –Lieder) und ein Teil des Fernsehprogramms wird auf Maori ausgestrahlt (da versteht man natürlich kein Wort!). Natürlich gibt es aber auch Rassenkonflikte, da die meisten Maori ärmer als die Weißen und sozial benachteiligt sind. Ich fand es interessant, mehr über die Kultur der Menschen aus dem Pazifikgebiet zu erfahren, indem sie einfach Teil des neuseeländischen Alltags war.
Aber wieder zurück zum Kiwi-Gemüt. Ein Kiwi hat grundsätzlich gute Laune und ist unkompliziert und gelassen. Völlig unbekümmert lebt dieses Völkchen da auf seiner Insel und der Rest der Welt kann ihnen auch schnuppe sein, weil sie so isoliert von den anderen Kontinenten leben! Ab und zu hat es mich schon genervt, das ständige „No worries, mate, she’ll be all right…“ (Also etwa: „Keine Sorge, alles wird gut…“). Ich konnte es während meines Schuljahr in Neuseeland nicht nachvollziehen, wie man sich so wenig für Weltpolitik interessieren kann, oder Probleme, die über die Schafzucht hinausgehen… Mit dieser Einstellung käme man in Europa nicht weit! So haben auch die meisten Kiwis gesagt, dass die Europäer allgemein sehr gebildet seien und einfach anders denken – nicht national, nicht deutsch, englisch oder französisch, sondern europäisch oder global.
Die High School in Neuseeland konnte man natürlich auch nicht mit dem Stromberg-Gymnasium vergleichen. Meine Schule in Neuseeland wurde von 1700 Schülern besucht. Ich wurde in die 12. Klasse eingestuft und musste natürlich auch eine Schuluniform tragen. Zum Glück war die noch einigermaßen geschmackvoll, im Vergleich mit dem, was das sonst noch so rumgelaufen ist…
Für die Mädchen graue Röcke mit schwarzen Strumpfhosen und schwarzen Strickpullovern, auf denen natürlich das obligatorische Schulwappen prangte. Hier ist das Verhältnis, das man zu seiner Schule in Neuseeland hat, ganz anders: Man ist stolz, dabei zu sein und repräsentiert die Schule in Neuseeland ja auch in der Öffentlichkeit, wenn man seine Uniform trägt. Dieser „Spirit“ führt zu einer richtigen Gemeinschaft. Es ist sehr schwer nachzuvollziehen, wenn man es nicht selbst erlebt hat. Jedenfalls ist mir da erstmal aufgefallen, wie wenig uns in Deutschland unsere Schule bedeutet!!